Notizen
Wenn man, durch die Kraft des Geistes gehoben, die gewöhnliche Betrachtungsart der Dinge fahren läßt, aufhört, nur ihren Relationen zu einander, deren letztes Ziel immer die Relation zum eigenen Willen ist, am Leitfaden der Gestaltungen des Satzes vom Grunde, nachzugehen, also nicht mehr das Wo, das Wann, das Warum und das Wozu an den Dingen betrachtet; sondern einzig und allein das Was; auch nicht das abstrakte Denken, die Begriffe der Vernunft, das Bewußtsein einnehmen läßt; sondern, statt alles diesen, die ganze Macht seines Geistes der Anschauung hingiebt, sich ganz in diese versenkt und das ganze Besußtseyn ausfüllen läßt durch die ruhige Kontemplation des gerade gegenwärtigen natürlichen Gegenstandes, sei es eine Landschaft, ein Baum, ein Fels, ein Gebäude oder was auch immer; indem man, nach einer sinnvollen Deutschen Redensart, sich gänzlich in diesen Gegenstand verliert, d.h. Eben sein Individuum, seinen Willen, vergießt und nur noch als reines Subjekt, als klarer Spiegel des Objekts bestehen bleibt; so das es ist, als ob der Gegenstand allein da wäre, ohne Jemanden, der ihn wahrnimmt, und man also nicht mehr den Anschauenden von der Anschauung trennen kann, sondern beide Eines geworden sind, indem das ganze Bewußtseyn von einem einzigen anschaulichen Bilde gänzlich gefüllt und eingenommenen ist; wenn also solchermaaßen das Objekt aus aller Relation zu etwas außer ihm, das Subjekt aus aller Relation zum Willen getreten ist; dann ist, was also erkannt wird, nicht mehr das einzelne Ding als solches; sondern es ist die Idee, die ewige Form, die unmittelbare Objektivität des Willens auf dieser Stufe: und eben dadurch ist zugleich der in dieser Anschauung Begriffene nicht mehr Individuum: denn das Individuum hat sich eben in solche Anschauung verloren: sondern er ist reines, willenloses, schmerzloses, zeitloses Subjekt der Erkenntniß.
Schopenhauer Die Welt als Wille und Vorstellung
Ich denke ja garnichts, ich sage es ja nur.
Ödön von Horvàth
Was zeichnet mich aus, was und wo bin ich, um mich herum überall nur Einheitsware, vermarktet, verkauft, abgepackt aufgepeppt, vorteilhaft präsentiert, totgemacht, abgespult, beworben und unverderblich gemacht. Uns als unser Bedürfnis suggeriert, gleiche Töne, gleiche Farben, in einer rasanten Ausweitung in alle Bereiche, alle Nischen, damit einhergehend Vernichtung individueller Ergebnisse, monopolistische Definition von Professionalität, Ausrottung anderer Angehensweisen, pädagogische Infiltration, Lähmung, Geistesverbrennung und Gefügigmachung mit schillernden Labels versehen und mich lockend, bis ich umfalle oder bis ich nicht mehr kann oder will und - anrenne.
Ansturm gegen die Monopolisierung, Spontandichtung nk eiland
Achtung, Vorsicht, wer ist das - Hut ab, Verneigung - gleichzeitig Ehrerbietung sowie Beine in die Hand, Deckung vor ihm. Wunderwerk mit Anfälligkeiten zur Dummheit und Gemeinheit reflektierendes Ungeheuer mit Seele - Aufbauer, Erfinder und Zerstörer mit unbeirrbar sich wiederholenden Verhaltensmustern und geregelten Bezügen.
Achtung vor Maschine Mensch, Spontandichtung nk eiland Der Heldenmut des Kindes bereit zum Kampf und zärtlich im Sinn liebend die Schlacht und hechelnd nach Sieg zu dem es Verlierer aber keine Opfer mehr braucht - Bombenwerfer umgeben von fiktiven Freunden und gefährlichen Feinden, facettenreiche Verkörperungen seiner selbst. Explosionen, die sich in prächtigen Farbregen entladen, glorreicher Sieger, der vergibt und Wohltäter der Armen, Verlierer ohne Verlust.
Teddybär und Panzerfaust, Spontandichtung nk eiland Die Masse zusammengebaut aus eigentlich sympathischen, neugierigen Elementen, verwachsen zu einem Maul träge und faul. Quer durch alle Schichten unrefektierend und begierig aufsaugend die ihm dargebotene Fülle, in Scheinwelten sich verlierend und aktiv handelnd im Belanglosen und unwissend im Globalen. Laut und rumorend fordernd nach immer mehr und billiger und meinungslos im Wesentlichen. Ein bewaffnetes Maul dezent und dumpf oder aber von sinnlosem Schreien verzerrt.
Konsumgefütterte Apathie / inhaltslose Agressionen, Spontandichtung nk eiland Berlin, 24. Mai 2021
Gemeinsamkeiten zwischen ehemaliger Metzgerei und vorübergehend geschlossenem
Swingerclub
Auflösung: Testzentrum
Liebe ist, in Kauf nehmen, dass es so kommen konnte.
Terassenbetrieb wieder geöffnet. Hab trotzdem ein Bier bekommen - auch ohne Test.
Warum macht mich die Alte so an? Was denkt sie?...oder soll ich mir Gedanken über mich
machen.
Noch ein Pils und ich werde vor gezapfter Freude explodieren.
Zur Zeit steigt man in die Busse hinten ein, - trotz Verbotsschild. Irgendwann lässt sich jeder
überreden.
Termin mit jungem Schauspieler. War ein mittelmäßiges Vorsprechen....kann nichts dafür..mag ihn
trotzdem.
Notruf 112, ich weiss nicht, ob ich mir die Nummer merken kann.
Definition von Glück: Jetzt!
Woolwo.. der Rest verdeckt von Straßenschildern,
Die Abendstunden fest in türkischer Hand. Gottseidank fern von jeder AfD-Interpretation.
Gegenüber ein Solarium Deluxe. Was kann man sich darunter vorstellen?
Manche Hausnummern leuchten, z.B. 140, manche nicht. Komischerweise war vor einer der
dunklen am meisten Betrieb.
Der junge Schauspieler von heute morgen... Ich kann ihn nicht einschätzen, aber er bleibt in
meinem Kopf, oder gerade (nur?) deshalb
Irgendwie sehe ich nur noch weiße Sneaker über die Straße laufen...Irgendwie grausam, wenn
man bedenkt, was sie alles in mir bewirken.
Ich hätte gerade total Bock auf so einem Elektroroller zu fahren
Gerundete Glasfassade am Eckhaus.
Den Tempelhofer Damm hinab. Asiatisches Mädchen läuft in Frauenkleidung über die Strasse.
Große Willkommensmuschel vor der Polizei.
Ich auf dem Weg zum besten 1Euro50 Falafel. Jetzt ist Feierabend. Vorfreude braucht ihren
Raum.
Bushaltestelle. Werbeplakat. Zwei von drei Frauen erleben......Ich lese nicht weiter, diese
Werbung gefällt mir.
Produktunabhängigkeit.
Ich laufe, doch bewege ich mich fort? Hamletkonzept in Schritttempo.
Platz der Luftbrücke. BVG Bus. Worte der Zeitreise
Steglitz, 25. Mai. 2021
Leere Tischfläche rund um die Bratpfanne, mit rotweißen Bändern abgetrennt und von Aluabfall-
überquellenden Mülleimern umzingelt. Direkt daneben Fensterbänke der Hallo Steglitz, hallo
Spardabank, dichtgedrängt mit Currywurst-essenden Menschen.
Wir bevorzugen Lebensmittel mit kurzen Transportwegen. Von der Bratpfanne zur Fensterbank
höchstens 6 Meter.
Sicherer Transport in Alufolie, auch das Brötchen. Anscheinend unverzichtbar, ich hab’s versucht.
Hier in Berlin, werden Gesetze gemacht.
Erzähle Bea von den zwei Vorsprechen, die engere Wahl für meine Hamlet Besetzung und von den Proben mit Peter. Wir kommen begeistert auf den Gedanken mit allen zu arbeiten und sie
würde auch mitmachen. Hamlet mal 4.
Schwäbisch Hall, 28. Mai. 2021
Würde ich ein Buch folieren, hätte ich Angst die Worte erstickten darin.
Schlendernd über Kopfsteinpflaster. Flaschengeklapper in den Stoffumhängetaschen junger
Mädchen. Es geht zur Party!
Neben mir auf der Brückenmauer, eine weiße Taube hat sich niedergelassen, mit konservativ
grauen Flügeln.
Schwäbisch Hall, 29. Mai. 2021
Am alten (Reihen-)haus meiner Eltern vorbei die Häuser abwärts gelaufen, an alte Nachbarn
gedacht, drei Klingelschilder ohne Namen.
Münchner Umland, 5. Juni 2021
Gedankengut in Virusform. Und plötzlich: Um wieviel erschreckender erscheint mir plötzlich das
Wort Pandemie.
Eine Gruppe von Beige-Säcken auf Wanderschaft. Rast machend zu Kaffee und Kuchen. Es haben
doch ganze Rudel überlebt.
Lebensziel: Einziger Teilnehmer seiner eigenen Beerdigung. Alternative: Beerdigung fällt aus,
aufgrund mangelnden Friedhofpersonals.
München, 6. Juni 2021
Es gibt Sängerinnen, die ständig aufs Klo müssen. Sie werden von meinen schwulen Freunden
(auch vom Fach) relativ unverblümt Pissnelken genannt.
Pflegeleicht. Der Vorzug einer Pissnelke ist: sie gießt sich von selbst.
Genügsamkeit: Mit ein paar Spritzern gibt sie sich meist zufrieden.
Nachdenken über Worte wie Treffunsicherheit oder Schrotflintensyndrom.
Münchner Umland, 19. Juni 2021
Schiefertafel. Mettwurst und Schweinshaxe im Angebot. Frau in rot-weiss geblümter Pelle sitzt
vor Metzgereiladen.
München, 20. Juni 2021
Astrid ist in ihrer Heimat fotografisch unterwegs. In zwei Wochen ist Ausstellungseröffnung mit dem Titel Biotope. Für den Katalog soll ich paar einleitende Worte verfassen, sinnig im
Zusammenhang meiner Stückentwicklung: Deutsche Biotope, ein Werk, das noch auf seinen
Abschluss wartet.
Hier der Text zur Vernissage,- frz. le vernis: der Firnis, der Lack:
Ob ich die Nadel in den festen Pappkarton eindrücke, wie früher bei der Deutschlandreise oder ein liegengelassener Bindfaden sich auf dem Tisch windet und einen Flussverlauf nachstellt, ob
Fontane plötzlich zum Reisebegleiter wird, stets zersplittert die glatte Oberfläche meines iPhones -, so als falle es auf die Erde, und aus meiner eindimensionalen NavigationsApp erbrechen sich pockenartige Gemälde mit nässendem Ausfluss. Eine plastische Relief-Kartographie, - durch
Eindrücke um mich herum angefüllt mit dem menschlichen Auge meist unsichtbaren Details, im Alltag jeder Bedeutungshaftigkeit entbehrend, beginnt zu flimmern. Das Treiben um Rathaus, Kirche, Krankenhaus (soweit vorhanden), Industriegebiet und Umgehungsstraße (beides immer
ein Thema), die wohlbehüteten Vorgärten, zwischen Auto Carport und betonierten Gartenwegen, alles wird plötzlich transluszent. Steine erlernen das Sprechen,- oder wir das Hören und
Verstehen. Ein Forsitienstrauch unterhält sich mit der Alufelge, ein Wohnzimmervorhang harmoniert mit dem Dompfaff im Baum daneben. Entstehungsgeschichten sowie
architektonische Skizzen von Lebensentwürfen tauchen auf und verschwinden, lösen sich ab und, - auf in der Landschaft. Ich lese in den Gesichtern. Der zugeschnittene Baum zeichnet die
Statur des daneben werkelnden Mannes nach, der Chow-Chow wird spazieren geführt, wer ist hier Hund und wer Besitzer, die Gesichtsform der Bäckerin gleicht der ihrer Mohnschnecke, hier der Geruch nach Sauerkraut und Kassler und von dort daneben, ziehen feine Aromaschwaden
von Räucherstäbchen und Yoga durch die Straßen.
Eine Künstlerin malt, eine Hausfrau bietet privat Massagen an, ein biologischer Bau mit
Naturgarten, davor ein Jeep, ein Instrumentenbauer, eine Feinmechanikerwerksatt, ein Baumarkt, ein Design-Inneneinrichtungsgeschäft, eine Imbissbude, ein Sonnenstudio. Und dazwischen:
leere Schaufenster, ganz Vieles zu vermieten, Gräber und Baustellen.
Und dann links neben dem Bordstein, die Farbe der Erde, vom Wind zusammengeführte Laubhaufen, an der Straßenecke steht ein Mann mit einem Lama, Eisenoxide von Ocker bis
Zinnober, und darüber coelinblauer Himmel. Die Wolke ist ein Schaaf, - und dort ein Elefant. Eine Mutter mit Kind streckt Ihren Arm nach oben. Auch mein Blick folgt von ihrer Achsel über ihren
Arm, ihren Zeigefinger durch die durchsichtige Weite in die Unendlichkeit. Eine neue Böe durchstreift raschelnd das Blattwerk, ich folge den wirbelnden Blättern und bin gespannt.
München, 21. Juni 2021
Nach der Phase des Angriffs schmeichelt sich die Alternative bei der Konvention ein und beginnt
sich, ihr anzugleichen. Muss das wirklich immer so sein?
Starnberg, 22. Juni 2021
Aufschlag beim Volleyball: Wunderbar, wäre fast gekommen.
Marco bekommt schon nach der erste Probe kalte Füsse, knickt ein, Peter will einen Film machen und will einen Rollenwechsel: er macht Regie und ich bin Hamlet, Bea fragt nach wie es
weitergeht, mit Clemens habe ich gerade vier Kennenlernproben, über Astrid erfahre ich dass ein neuer Schauspiel-Anwärter in Hamburg auf meinen Anruf wartet und Katinka habe ich heute kontaktiert, da ich glaube, dass sie mitspielen sollte...Georg nicht zu vergessen als bayrische
Laienvariante, der unbedingt wollte nun aber wenig Zeit hat. Nächste Woche: Reise von München über Dresden und Zittau nach Berlin und dann Hamburg. Alle treffen, mit allen
sprechen, vielleicht kommen wir dann weiter.
Neues Motto: Neue Strömungen und gefährliche Strudel. Und noch eins: Erfrische dich,
bezwinge die Flut. Auf zur Spontandichtung!
Aying Kleinhelfendorf 19. Juli 2021